Oder „sich vertraut machen“
„Was bedeutet zähmen?“ fragte der kleine Prinz. (…) „Zähmen, das ist eine in Vergessenheit geratene Sache“, sagte der Fuchs. „Es bedeutet: sich vertraut machen.“ „Vertraut machen?“ „Gewiss“, sagte der Fuchs. „Du bist für mich noch nichts, als ein kleiner Knabe, der hunderttausend kleinen Knaben völlig gleicht. Ich brauche dich nicht, und du brauchst mich eben so wenig. Ich bin für dich nur ein Fuchs, der hunderttausend Füchsen gleicht. Aber wenn du mich zähmst, werden wir einander brauchen. Du wirst für mich einzig sein in der Welt. Ich werde für dich einzig sein in der Welt…“ „Ich beginne zu verstehen“, sagte der kleine Prinz. „Es gibt eine Blume; ich glaube, sie hat mich gezähmt!“
(aus „Der kleine Prinz“ von ANTOINE DE SAINT-Exupéry)
Bei meiner Arbeit mit jungen Pferden liegt es mir besonders am Herzen, dass wir die physiologische Entwicklung des Pferdes als Grundlage nehmen. Daher reite ich das Pferd erst, wenn es ein Alter von mindestens 4 Jahren erreicht hat. Vorher ist es enorm wichtig, dass wir das Pferd auf die Kommunikation mit dem Menschen vom Boden aus vorbereiten. Das Fohlen ABC ist hierfür eine Grundvoraussetzung. Gerne helfe ich auch dabei dies zu festigen, sollte es nicht bereits im Fohlenalter/Jungpferdealter geschehen sein. Bei mir hat das Pferd Mitspracherecht. Gerade am Anfang der Ausbildung ist es mir besonders wichtig, dem Pferd eine Sinnhaftigkeit für die Begegnung mit dem Menschen zu geben. Ein gegenseitiges Gebrauchtwerden und in der Welt meines Pferdes einzig zu sein, ist das Ziel im Zusammensein mit dem Pferd. Individualität ist für mich ausdrücklich keine Marketing Phrase – ich sehe jedes (!) Pferd jeden (!) Tag als neue Begegnung an und lasse mich auf die aktuellen Gegebenheiten und Grundbedürfnisse des Pferdes ein. Bei meinem Umgang mit jungen Pferden (und Pferden generell) gibt kein Plan A, B, C oder Z und keine spezifische Reitweise, an der ich mich ausschließlich orientiere; ich setze hierbei lediglich meine Leitsätze individuell auf jedes Pferd ausgelegt um: Achtsamkeit, Wertschätzung und stetige Weiterbildungen meiner Kompetenzen rund um das Pferd. Hierbei ist es selbstverständlich und selbsterklärend, dass ein Nutzen jeglicher Hilfszügel und Sporen diesen Leitsätzen komplett entgegen stehen würde und somit von mir in keinem Abschnitt der Ausbildung des Pferdes gebraucht werden. Ich finde es sehr treffend, welche Worte Herr Gustav Steinbrecht für das „Zähmen“ des Pferdes in seinem Buch „Gymnasium des Pferdes“ wählt:
„..den Erfolg nicht erzwingen wollen, sondern geduldig abwarten, sich von ihm überraschen lassen, und wenn er eintritt, ihn nicht gleich aufs äußerste ausbeuten wollen, sondern viel mehr Entgegenkommen des Pferdes durch Beendigung der Arbeit belohnen.“
(aus „Gymnasium des Pferdes“ von Gustav Steinbrecht)